Freitag, 24. März 2017

Landratsamtserweiterung: politischer Druck und Belehrungen überflüssig wie ein Kropf

Schreiben des Landrats Stefan Löwl
Kommentar des Bündnisses für Dachau
Der Landrat des Landkreises Dachau
[Anm. Briefkopf]

Sehr geehrte Stadträtinnen und Stadträte,

aus der Zeitung habe ich von der Diskussion in der vergangene Bauausschusssitzung gelesen.

Unabhängig zu den Details einer möglichen baulichen Entwicklung sowie dem (sinnvollen?) Procedere möchte ich einige Punkte aus der Diskussion klarstellen bzw. erläutern.





Gerade auf dieses „Procedere“ und Verfahren kommt es aber an, was Herr Landrat Stefan Löwl als Volljurist und ehemaliger Leiter der Umwelt- und Immissionsschutzabteilung am Landratsamt Dachau wissen müsste.
Es ist richtig, das Landratsamt hat dringlichen Platzbedarf und ja, der Landkreis hat im Jahr 2012 eine Grundstücksfläche von knapp 3.600 qm an die Sparkasse Dachau veräußert. Die Veräußerung erfolgte dabei auf Basis eines Bebauungsplanes, mit dem bereits im Jahr 2003 begonnen worden war und der eine Mischnutzung von Wohnen und Büronutzung in diesem Bereich vorsah.

Hintergrund war, dass ein ursprünglich auf dem Grundstück geplanter Neubau für die Zulassungs-und Führerscheinstelle 2001 dort nicht mehr weiterverfolgt wurde, da dieses Sachgebiet zur Verkehrsentflechtung vom Standort Dachau-Weiherweg nach Dachau-Ost verlagert worden war.







Außerdem hat der Landkreis das Grundstück erst an die Sparkasse abgetreten, nachdem er untersucht hatte, ob er auf dem verbleibenden Areal seinen langfristigen Raumbedarf abdecken kann.

Hierbei ist auch zu sehen, dass neben der Verlagerung der Zulassungsstelle das Verwaltungsgebäudes II an der Dr.-Hiller-Straße im Jahr 2006 errichtet worden war, in dem insbesondere das Gesundheitsamt untergebracht werden musste und die zuvor ausgelagerten Außenstellen für das Veterinäramt, das Schulamt und die Kommunale Abfallwirtschaft eine neue Heimat gefunden hatten.
Der heutige Landrat räumt damit den entscheidenden Fehler des Grundstücksverkaufs von 3.600 qm Fläche an die Sparkasse Dachau [Anm. der jeweilige Landrat ist Verwaltungsratsvorsitzender der Sparkasse Dachau], welcher ebenfalls Gegenstand der Beratungen im Bauausschuss war, selbst ein.



Dies war einmal der Hintergrund. Im Jahre 2012 (vgl. oben) wusste man bereits im Landratsamt und im Kreistag sehr genau, dass eine Erweiterung des Landratsamtes zwingend werden würde. Bereits zu diesem Zeitpunkt wurden verschiedene Optionen in den Kreistagsgremien und Fraktionen diskutiert, wie Erweiterung des bestehenden Landratsamtes am Standort, Neubau an einem anderen Standort mit (als Option) Verwertung der bestehenden Standortfläche, ebenfalls möglicherweise mit Wertzuwachs als Wohnbebauung.


Die Prüfung ist erkennbar, wie man nun sieht, gründlich schief gegangen. Wer hat denn da geprüft?



Ein Zusammenhang zwischen dieser Auslagerung und des kritisierten Verkaufes der Grundstücksfläche im Jahr 2012 (vgl. oben) ist künstlich konstruiert und aus heutiger Sicht nicht nachvollziehbar.
Damals wurde die Frage, ob die verbleibende Fläche für die Zukunft ausreichend sei, mit „ Ja " beantwortet, was auch heute noch zutrifft.


Dies hat zunächst einmal mit dem Verfahren, ob eine Erweiterung mit oder ohne Bebauungsplan geplant werden kann, nichts zu tun. Hierbei handelt es sich zuvorderst um eine bauplanungs-und verfahrensrechtliche Frage.
Dieses Ergebnis war und ist falsch und wird heute nachvollziehbar deutlich. Dieses Ergebnis wurde bereits damals vielfach und äußerst kontrovers diskutiert.

Das ist richtig. Die falsche politische Entscheidung und politisch vorgegebenen Annahmen wirken sich jedoch hier als Folge unmittelbar aus, wodurch die Erweiterung nun zum Gegenstand des Baurechts wird.
Zudem sollte man auch betrachten, welche Nutzungen auf dem veräußerten Grundstück entstanden sind: Über 1.000 qm belegt das Jugendamt des Landkreises und rund 1.000 qm nutzt das Jobcenter, deren Träger neben der Agentur für Arbeit auch wiederum der Landkreis ist.

Weitere Mieter sind das Franziskuswerk für betreute Wohngemeinschaften, für die sonst auf den freien Wohnungsmarkt hätte zurückgegriffen werden müssen, mit den bekannten Problemen auf dem ohnehin schon engen Wohnungsmarkt in Dachau, gerade für „besondere" Mieter.

Eine kleinere Fläche haben die AmperKliniken gemietet. Wer meint, dies sei keine sinnvolle und konzeptionell durchdachte Nutzung, denkt hier aus meiner Sicht schon sehr engstirnig. Von den Synergieeffekten, welche zwischen dem Jobcenter und dem Landratsamt entstehen, ist hierbei noch gar nicht die Rede gewesen. Und nicht zuletzt konnte die Sparkasse durch die Verlegung ihrer Filiale von der Brucker Straße in den Kopfbau, dem VdK Räumlichkeiten am alten Filialstandort anbieten.
Bei einer reinen und ausschließlichen Erweiterung des Landratsamtes auf dieser Fläche wäre dies auch möglich gewesen. Dies ist unstreitig.




Der Wohnraum für diese betreuten Wohngemeinschaften hätte auch an einem anderen Standort realisiert werden können. Aufgrund der bereits damals laut gewordenen Kritik an der Veräußerung wurde dieses Mittel lediglich als „Feigenblatt“ zur Argumentationshilfe gewählt.

Synergieeffekte zwischen Landratsamt und Jobcenter sind wohl vorhanden.

Synergieeffekte zwischen Landratsamt und AmperKliniken (= Helios-Konzern mit Aufsichtsrat Landrat Löwl) (das Gesundheitsamt ist ja in der Dr. Hiller-Straße vgl. oben) und vor allem durchdesignter, unnötiger und verkehrstechnisch nicht erreichbarer Sparkassen- Filiale sicher nicht.
Und, um das Bild abzurunden:

Der Landkreis hat über 10 Jahre lang diese Fläche kostenlos als öffentlichen Parkplatz auf Bitten der Stadt Dachau zur Verfügung gestellt und eine kleinere Teilfläche auch an die Stadt Dachau abgetreten, um sich eine künftige Haltestelle für eine Stadtbahn nicht zu verbauen. Auch dies wäre vielleicht einer positiven Würdigung Wert gewesen.


Um das Bild richtig zu stellen: Der Landkreis hat über mehr als 10 Jahre mit diesem Parkplatz seinen eigenen Behördenbesuchern, seinen eigenen Mitarbeitern und seinen tagenden Kreistagsmitgliedern und Landkreisbürgermeistern den notwendigen und erforderlichen Parkraum zur Verfügung gestellt.

Seit dies nicht mehr der Fall ist, ist die innere Brucker Straße, Weiherweg und Burgfriedenstraße einem enormen Parkdruck ausgesetzt und der Verkehrsfluss dort nachhaltig gestört.

Genau aus diesem Grund wurde von der Bauverwaltung der Stadt Dachau ein Bebauungsplanverfahren zur Ordnung der verkehrsmäßigen Erschließung dringend vorgeschlagen.

Ja, es ist richtig, der Landkreis möchte weitere Provisorien und zusätzliche Außenstellen vermeiden und hat daher Interesse an einem zügigen Beginn eines ersten Bauabschnittes. Insgesamt sind die Überlegungen aber auf den Bedarf der nächsten 30 Jahre ausgelegt. Daher bedurfte es auch einer weitergehenden Betrachtung und spezifischer Fragestellungen in der Bauvoranfrage.

Der Kreistag hat mir bzw. der Verwaltung den Auftrag geben, verschiedene Optionen zu prüfen.

Hierzu zählt die Frage, welches Baurecht auf dem bisherigen Grundstück nach§ 34 BauGB besteht, welche darüber hinausgehenden Möglichkeiten in einem Bebauungsplan realisiert werden können und ob es
geeignete und verfügbare Alternativstandorte gibt.
Das Ansinnen kann nachvollzogen werden, wurde aber von niemanden, auch nicht vom Bündnis für Dachau, in Abrede gestellt.












Die Fragestellung mit den vom Landratsamt vorgelegten drei Varianten wurde dem Bauausschuss vorgelegt und von der Bauverwaltung hierzu eine fachliche Einschätzung gegeben, welche das Bündnis für Dachau, SPD, Grüne und Stadtrat Wolfgang Moll teilten.

Auszug aus der Beschlussvorlage der städtischen Bauverwaltung:
„[…]Alle drei Varianten der geplanten Erweiterung des Landratsamtes fügen sich planungsrechtlich gemäß § 34 BauGB hinsichtlich der geplanten Länge, Höhenentwicklung, Lage auf dem Grundstück, sowie der Bauweise (Variante 3) nicht in die Eigenart der näheren Umgebung ein. Keine der drei Varianten ist im Rahmen des Einfügens umsetzbar. […]“


Bei der Suche und Bewertung ist dann zu berücksichtigen, dass knapp die Hälfte der Landkreiseinwohner in Dachau und Karlsfeld wohnen und daher sowohl eine attraktive ÖPNV Anbindung wie auch eine gute Erreichbarkeit per Kfz gegeben sein sollte.

Hinzu kommen kurze Wege zu anderen Behörden (Finanzamt, Vermessungsamt, Gericht, Stadtverwaltung, usw.). Außerdem ist eine attraktive Nähe zu Einkaufs-und Restaurantbereichen wünschenswert um den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern in der Mittagspause ebenso wie den Besucherinnen und Besuchern Gelegenheit zum Einkauf oder Essen zu geben. Dadurch ergibt sich eine merkliche „Belebung" der Umgebung.
Für die Erreichbarkeit spielt die verkehrsmäßige Erschließung eine zentrale Rolle. Um diese Erschließung geordnet planen zu können, wäre ein Bebauungsplanverfahren zwingend.



Wünschenswert ist dies alles.

Und alles ebenfalls auf der leider veräußerten Grundstücksfläche (vgl. oben) nicht mehr möglich.

Ob die Wünsche am jetzt verbliebenen „Reststandort“ des Landratsamtes noch erfüllt werden können, ist zweifelhaft.

Welche Auswirkungen die monströse Planung auf das Wohngebiet „innere Brucker Straße, Weiherweg, Burgfriedenstraße, Udldinger Hang“, wollen wir an dieser Stelle nicht erörtern.
Eine Erweiterung am Stadtbahnhof Dachau auf den "Maierterrassen" oder am zukünftigen Bahnhofsquartier wären jedenfalls sinnvoller.

Als weiterer, wichtiger Faktor kommt die Zeitschiene und damit die Frage „Warum erst jetzt?" hinzu:

Wie für viele Kommunen regnet es dem Landkreis Dachau auch kein Geld vom Himmel. Der Schwerpunkt der Haushaltswirtschaft in den zurückliegenden Jahren lag und liegt auch zukünftig neben dem notwendigen Schuldenabbau zur Sicherstellung der dauerhaften Leistungsfähigkeit -im Schulbau. Mit der Generalinstandsetzung des Josef-Effner-Gymnasiums Dachau, der Errichtung von Mensen an allen drei Landkreisgymnasien, dem Bau einer neuen Realschule in Dachau-Augustenfeld, der Mitfinanzierung der Sanierung der Klosterrealschulen in Weichs und Markt Indersdorf und deren vorheriger Erweiterung, dem Bau eines neuen Werkstattgebäudes für die Berufsschule in Dachau und deren aktueller Gesamtgeneralsanierung mit Ringschluss, der Beteiligung am Neubau einer Realschule in Odelzhausen und der bevorstehenden Standortoptimierung des lgnaz Taschner Gymnasium summieren sich diese Investitionen in die Bildung auf deutlich über 100 Millionen Euro allein in den letzten 10 Jahren und zeigen damit doch sehr deutlich auf, warum eine Erweiterung des Landratsamtes, wenn das auch bedauerlich sein mag, zurückstehen musste. Und nicht zuletzt, der Landkreis erweitert das Landratsamt nicht als Selbstzweck, sondern für die Menschen im gesamten Landkreis, welche der Dienstleistung des Landratsamtes bedürfen; davon wohnen über 47.000 in der Stadt Dachau.
Die Zeitschiene und der durch den Landkreis/Landratsamt vorsätzlich selbst verursachte Zeitdruck (vgl. oben) hat mit der baurechtlichen Beurteilung nichts zu tun.

Herr Landrat Stefan Löwl, als Volljurist und profunder Kenner der Verwaltungspraxis ist Ihnen dies doch bekannt.

Oder bekommt man im Landratsamt Dachau schneller eine (vielleicht baurechtswidrige) Baugenehmigung, weil man als Bauherr Zeitdruck hat. Wir hoffen doch nicht!



Der politische Vortrag steht unserer Auffassung nach in keinem Zusammenhang mit der baurechtlichen Frage der Erweiterung des Landratsamtes.
Ich bedanke mich daher beim Bau- und Planungsausschuss für seine Entscheidung und hoffe, dass wir die weiteren Fragen und Verfahrensschritte mit dem gemeinsamen Ziel hin bekommen, ein gutes, attraktives, den heutigen und zukünftigen Bedürfnissen angepasstes Dienstleistungs-und Verwaltungszentrum zu errichten.

Gerne lade ich den Bau-und Planungsausschuss auch ins Landratsamt ein, um unsere Überlegungen und Planungen detailliert vorzustellen und gemeinsam zu diskutieren.
Richtig wäre es, sich bei der eigenen CSU-Stadtratsfraktion, den Freien Wählern (mit stv. Landrat Dr. Forster) und der FDP (Kreisrat Seidl) zu bedanken, die die Bedürfnisse des Landratsamtes über das geltende Baurecht und über die Interessen der Anlieger im betroffenen Wohngebiet gestellt haben.


Die Einladung zur Diskussion nehmen wir gerne an. Aber nur vor Erteilung eines rechtswidrigen Vorbescheides und dessen Bestandskraft und damit der Schaffung von (teilweiser) vollendeter Tatsachen.

Wir sind nicht blöde!




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